Samstag, 16. Februar 2013

Die 24 Filme der Berlinale

Wie man in der letzten Woche auf Twitter mitverfolgen konnte, habe ich auf der 63.Berlinale fleißig Filme geschaut - wenn auch mit allerlei Zahlendrehern in der Dokumentation, aber ohne zu häufiges Schlangestehen. Um hier nicht mit einer weiteren chronologischen Aufzählung der Filme zu langweilen, habe ich nur die interessantesten Merkmale und Highlights versammelt.

Überraschend unterhaltsam ...
und gar nicht artsy langweilig oder moralsauer war #13, Pardé (Closed Curtain) von und ebenfalls mit Jafar Panahi. Ganz im Gegensatz zu #17 - Camille Claudel von Bruno Dumont - der war in der Tat zum weinen - bzw. so schlimm, dass ich danach erst mal ne Runde schlafen musste, um diesen grausigen Film zu vergessen. Nicht ganz so schlimm, aber ziemlich artsy mit vielen schönen Bildern in grau und blau und ohne viel Dialog oder Handlung #4, Hayatboyu (Lebenslang).   

Mit einer Entlassung aus dem Gefängnis fängt sowohl #16, Side Effects, der angeblich letzte Film von Steven Soderbergh, als auch #15, Kai po che (Brothers for Life) an. Dieser Film basiert übrigens auf dem Roman The 3 mistakes of my Life von Chetan Bhagat, der auch schon die Vorlage für einen meiner indischen Lieblingsfilme 3 Idiots geschrieben hat. 

New Mexico, Texas, Berlin und die Berliner Schule
Eine Zeitreise der besonderen Art, die nicht aus Rückblenden resultiert, sondern dem Tod des Hauptdarstellers geschuldet ist, zeigt #23, Dark Blood. Der letzte Film von River Phoenix wurde durch gesprochene Sequenzen des Regisseurs George Sluizer vor Standbildern abgeschlossen - den Look der frühen 90er in der Wüste New Mexicos auf der großen Leinwand des Berlinale Palasts zu sehen war durchaus unterhaltsam. Der Mensch vor der Natur Amerikas, diesmal in Texas, ist auch in David Gordon Greens #18, Prinz Avalanche Thema. Umgesetzt in wunderbarer Situationskomik mit den zwei großartigen Darstellern Paul Rudd und Emile Hirsch. 

Zwei mal gab es auch Berlin auf der Leinwand - #6, Silvi, von Nico Sommer und  #8, Oh Boy von Jan-Ole Gerster. Ersterer zeigt Lina Wendel als frisch geschiedene Frau, die sich erstmals im Dating versucht, wohingegen letzterer Tom Schillling bei einer Episodenreise durch ein Berlin begleitet, das in schwarz-weiß getaucht wirkt, als sei dort ewiger Sommer, in dem der Schlendrian zu Hause ist. Nicht in Berlin aber im Stil der Berliner Schule wurde Thomas Arslans Film Gold erstellt, den ich bewusst nicht geschaut habe. Zum Glück, wenn man die absolut lesenswerte Hass-Kritik Dietrich Brüggemanns lächelnd liest.
Cast: The Broken Circle Breakdown

Highlights
Bei fast allen Filmen, machen Männer die entscheidenden Fehler - d.h. sie sprechen zu wenig mit ihren Frauen oder gehorchen ihnen blind und lenken so die Handlung in die tragische Richtung. Ausnahmen waren Film #9, der großartige The Broken Circle Breakdown, in dem eine Krankheit die Tragik bestimmt und der zu Recht heute den Panorama-Publikumspreis gewonnen hat. Bei #20, Before Midnight, der dritte Teil der Before-Reihe, mit Julie Delpy und Ethan Hawke, in griechischer Kulisse ist es Madame Delpy, die nicht nachvollziehbar argumentiert - glücklicherweise endet der Film aber nicht tragisch.
Der erste wie letzte Film waren übrigens am verrücktesten und einprägsamsten - #1, The Act of Killing von Joshua Oppenheimer war absolut beeindruckend und gewinnt hochverdient den Panorama Publikumspreis für die beste Dokumentation. Ebenso nachhaltig hängen geblieben und ähnlich bild- und tongewaltig wie Gaspar Noe's Enter the Void, ist der verwirrende Film #24 Upstream Color von und mit Shane Carruth.


Blockbuster
Viele dieser Filme werden es wohl leider kaum auf die Leinwand der großen Kinos schaffen. Folgende Filme werden aber sicher mit Pauken und Trompeten in die Multiplexe gelobt werden:
Die wirklich witzigen und hochkarätig besetzten Komödien #2, Don Jon's Addiction mit Joseph Gordon-Lewitt und Scarlett Johanson sowie #21 Gambit von Michael Hoffmann mit Colin Firth, Cameron Diaz und Alan Rickman. Der Skandal(kunst?)pornofilm "Deep Throat" wird in #5, Lovelace, retrospektiv noch mal aus Sicht der Hauptdarstellerin erzählt - besetzt mit Amanda Seyfried, Sharon Stone, Sarah Jessica Parker und ihrem Mr. Big Chris Noth. Unausweichlich ist auch #19, Der Nachtzug nach Lissabon, der jeden Star sein Klischee spielen lässt, aber dennoch spannend ist. Ein Blockbuster der queeren Art ist #12, Reaching for the Moon, der das Leben und Wirken der lesbischen, amerikanischen Autorin und Pulitzer-Preis-Gewinnerin Elizabeth Bishop in Brasilien und New York zeigt. Weniger Blockbuster aber ebenso queer #22, Concussion, der sich mit lesbischer Prostitution auf homorvolle Weise auseinandersetzt.

Ich freue mich schon auf nächsten Februar und möchte an dieser Stelle noch kurz meinen Dank an Roland, Franzi und Jessie ausdrücken - ohne Euch wären 24 Filme in sieben Tagen kaum möglich gewesen!