Samstag, 27. Februar 2010

"Aus Indien"


"Kandy soll der hübscheste Ort der schönen Insel Ceylon sein, und die Eisenbahnfahrt dahin von Colombo aus ist eine tolle Folge von Überraschungen und Schönheiten. Kandy selbst ist der Rest einer sehr alten Königs- und Priesterstadt, und neuerdings ist es dem Gelde der Engländer gelungen, ein bequemes, sauberes, verdorbenes Hotel- und Fremdennest daraus zu machen. Trotzdem ist Kandy schön; denn mit allem Gelde und allem Zement der Welt läßt sich das strotzdende Wachstum dieser Landschaft nicht kaputtmachen. Da sieht man an grünen Hügelhängen den ganzen überschwenglichen Busch- und Baumwuchs noch viel überschwenglicher von Schlingpflanzen überwachsen, abenteuerlich großblumige Winden und Klematis blühen und duften in ganzen Kaskaden ins Tal herab, wo der künstliche See unheilbar an seinem grotesk unorganischen Zuschnitt leidet. [...] Immerhin dieser englische Betrieb hat Stil, und Deutsche oder Franzosen würden es viel schlimmer und viel dümmer machen, wie ja überhaupt der Engländer der einziger Europäer ist, der draußen unter den Naturvölkern nicht komisch wirkt."
Hesse, Hermann: "Aus Indien. Aufzeichnungen, Tagebücher, Gedichte, Betrachtungen und Erzählungen", S.91f, Frankfurt 1980.

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