Mittlerweile erlebe ich meine Abenteuer auch digital auf Twitter, manchmal aus Zügen, von Konferenzen aber auch aus Museen. Bei diesen so genannten Kultups
habe ich Ulrike aka Orchestrasfan kennengelernt. Sie
organisiert nicht nur die Kultups, sondern ist auch ein ausgesprochener
Klassikfan – aber keine Barockmusik! Tatsächlich gab es sogar schon mal einen Kultup
beim Orchester des Hessischen Rundfunks – leider ohne mich da Samstagmorgen 10Uhr. Dennoch oder grade, weil ich dieses Ereignis verpasst hatte, lud mich
Ulrike ein, auf ihrer Konzertcouch Platz zu nehmen. Zuvor hat dort schon Robert Basic gesessen und Pärt, Ligeti und Großkopf
(wer kennt sie nicht?) gelauscht – und so saß auch ich Samstagabend in der
Alten Oper, während draußen das Wolkenkratzerfest tobte und die Welt auf die
Wembleyarena schaute.
So sieht Twitter aus. |
Frau XX und Dr. Dings
Vor dem Konzert besuchten wir die „Einführungsveranstaltung“
mit der scheinbar renommierten Frau Coy und dem Direktor des Hessischen
Rundfunks und Musikwissenschaftlers Dr. Sommer. Beide fachsimpelten eloquent
über Mahler, seine Frau Alma, (eine Promischlampe?), die ihn für den
Architekten Gropius verlies und die 8. Symphonie, umgangssprachlich als
Symphonie der Tausend betitelt und von Frankfurts höchst eigenem Dialektiker
Theodor W. Adorno als „Riesenschwarte“ diffamiert.
Die 320 Musiker die in
Frankfurt auf der Bühne standen sind unter anderen gleich drei Chöre, vier
Harfen und sieben Solisten – ein gigantischer logistischer Aufwand – daher wird
die achte Symphonie auch nur recht selten aufgeführt – in Frankfurt zuletzt vor
zwanzig Jahren zur Eröffnung der Alten Oper. Die Uraufführung 1910 in München
fand tatsächlich mit über 1000 Musikern statt – daher der Beiname. Mahler
selber mochte diesen Namen aber nicht. Was Mahler aber mochte war sein Job – er
war in Wien 1906 der Leiter der Hofmusik der damals noch glorreichen und
mächtigen KuK-Herrschaft. Er nannte sich tatsächlich selbst den König des Südens.
Wenn man nach Wien fährt, merkt man schnell, wie leicht man dort glauben kann,
Teil eines großen, mächtigen Reichs zu sein. Die gesamte Stadt protzt und
prunkt und strahlt Herrschaft aus. Das dort ein Werk entsteht, dass vor Jubel
und majestätischer Größe nur so strotzt, kein Wunder. Schade nur, dass das dann
alles doch bald den Bach runter ging – aber das erlebte Mahler zum Glück nicht
mehr, er durfte seinen Fortschrittsglauben mit ins Grab nehmen.
Wien, ca. 1906. |
Pfingsten und Faust
Jetzt aber zum eigentlichen Konzert – darüber kann man
eigentlich nicht viel sagen, man muss halt dabei gewesen sein, das ephemere lässt sich immer so schwer einfangen. Trotzdem habe ich
natürlich was zu erzählen: die 8. Symphonie besteht aus zwei Teilen – dem
Pfingsthymnus (Veni creator Spiritus – gerne auch beim Grillen zitiert), der mir
bis dato auch gar nichts sagte, und dem Ende des Faust 2. Leider waren
meine Deutschlehrer so schlecht um nicht zu sagen miserabel, dass ich (damals
ging das noch) Deutsch nach der 11. Klasse abwählte. Daher kreuzte Faust meinen
Weg erst in Indien, als mich dort fast jeder darauf ansprach und ich diese
Bildungslücke schloss. Für Teil 2 war ich dann aber leider doch nicht zäh
genug. Daher erschließt sich mir die Wahl der Themen dieses Stückes nicht, man munkelt aber, dass es in Bälde einen Radiobeitrag zu eben diesem Thema geben wird.
Zum
Hörerlebnis: der erste Teil ist bombastisch, euphorisch und könnte jedem
B-Movie Showdown zum Oscar verhelfen – ein einziges großes Finale bei dem ich
tatsächlich Gänsehaut hatte. Der zweite Teil hingegen ist eher episch, tragend,
soll sagen langweilig. Die Solisten singen deutsche Texte, die nicht zu
verstehen sind, die Musik schleppt sich so dahin und zum Schluss gibt es dann
noch mal ein Finale, das alle Akteure zu Höchstleistungen treibt. Danach darf
man endlich klatschen – was man ja als Kulturschmock nach den einzelnen Sätzen
nicht niemals nie tuen darf. Für mich wäre es stimmiger gewesen die beiden
Teile in umgekehrter Reihenfolge zu spielen, aber Mahler hatte da bestimmt
seine Gründe.
319 seriöse Musiker, eine Dame in Pink. |
Crémant und Revolution
Nach einer langen Applaussession mit Blumen und Standing
Ovations begaben wir uns dann wieder hinaus ins Getümmel des Wolkenkratzerfests
– eine kleine, nasse Ohrfeige. Aber zum Glück ortskundig flohen wir dann flugs
in das wahrscheinlich einzige Etablissement in dem an diesem Abend kein Fußball
lief, tranken einen fröhlichen Crémant und planten die Revolution.